Brent Mills, Four Winds Brewing – Thumbnail Brent Mills, Four Winds Brewing
Kanadische Verhältnisse

„In einem Lager kannst Du keine Braufehler verstecken“

Mehr als 40 Brauereien, die meisten davon keine fünf Jahre alt – in Vancouver boomt die Bierszene wie in kaum einer anderen Stadt Nordamerikas. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Noch dieses Jahr werden zehn weitere Brauereien eröffnen. Wir haben Four Winds Brewing, eine der einflussreichsten Brauereien in British Columbia, in Vancouver besucht und mit Mitgründer und Braumeister Brent Mills über Regionalität, Trends und deutsche Biere gesprochen.

Während in den USA die Craft-Beer-Bewegung schon seit Ende der 1980er Jahre existiert und mittlerweile weltweit Maßstäbe setzt, ist die Szene in Kanada noch jung. Das merkt man auch, wenn man einen der zahlreichen Taprooms in Vancouver betritt: Alles ist neu und wirkt wie gerade erst eröffnet. Auch Four Winds Brewing hat noch nicht viele Kerzen auf der Geburtstagstorte. „Als wir vor fünf Jahren angefangen haben, gab es sechs Brauereien in der Stadt. Die vier ältesten waren gerade mal zwölf Jahre alt“, erzählt Brent Mills, Mitgründer und Braumeister bei Four Winds. Inzwischen haben über 30 weitere Brauereien eröffnet – allein 2018 sollen noch mehr als zehn hinzukommen. Wer in Vancouver lebt, hat es deshalb nicht schwer, eine Brauerei mit Taproom in der eigenen Nachbarschaft zu finden.

In British Columbia ist man sichtlich stolz auf die lokalen Brauereien. „Die Menschen in Vancouver lieben regionale Produkte und das ist genial!“ freut sich Mills. Das Bier aus der Region ist nicht nur frischer als importierte Ware, sondern geht auch zu einem besonders fairen Preis über die Theke. Regionales Bier kostet in Kanada deutlich weniger als Importe aus den USA oder dem Rest der Welt. „Ein 20-Liter Fass aus den Vereinigten Staaten liegt selbst im Angebot noch bei etwa 190 kanadischen Dollar“, rechnet Mills vor. „Wir verkaufen unsere Fässer für weniger als die Hälfte.“ Kein Wunder also, dass die Pubs und Lokale, die in Vancouver und Umgebung Bier ausschenken, fast ausschließlich kanadisches Bier auf der Karte haben. Das meiste davon kommt direkt aus Vancouver.

Die Stimmung in der Szene ist gut. Die Brauereien in Vancouver und Umgebung sind bestens vernetzt, oft sogar befreundet. Man hilft sich und arbeitet gern zusammen. Es gibt viele Kollaborationen – etliche davon von Brauereien, die im gleichen Viertel oder sogar in der gleichen Straße ihr Bier brauen. Auch Mills arbeitet häufig mit anderen Brauern zusammen. „Mit Steel & Oak, Brassneck und einigen anderen Brauereien sind wir sehr eng befreundet und das wird sich auch nie ändern“, sagt er mit Nachdruck.

Support your local brewery!

Doch wenn so viele Brauereien in so kurzer Zeit auf so kleinem Raum eröffnen, können nicht alle in der Champions League spielen. Nicht immer steht Qualität an erster Stelle. „Viele Geschäftsleute wittern gerade ein lukratives Geschäft, da eine Brauerei hier bei uns kaum Geld für Verpackung und Vertrieb ausgeben muss. Also gründen sie schnell ein Unternehmen, stellen einen günstigen Brauer ein, der vorher noch nie gebraut hat – und hoffen auf das schnelle Geld. Genau deshalb gibt es inzwischen leider auch schlechtes Bier in der Stadt. Irgendwann ist der Markt übersättigt und dann wird es ungemütlich. Es wird sich zeigen, wer in ein paar Jahren noch bestehen wird.“

Solange ein Bier nicht ungenießbar ist – support it!

Den Anspruch, das weltbeste Bier zu brauen, hat hier von den seriösen Brauereien übrigens kaum jemand. Trotz des riesigen Potenzials, das diese Stadt bereits heute bietet. Viel wichtiger ist es den meisten Brauereien, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und unabhängig von Importen zu bleiben, um die Nachbarschaft mit bezahlbarem Bier zu versorgen. „Ich sage immer: Solange ein Bier nicht ungenießbar ist – support it!“ stellt auch Mills fest und schenkt etwas Pomona nach: ein Sour Witbier, das erst zwölf Monate auf Nektarinen und Apfelkraut im Rotweinfass lagert, dann drei Monate mit Aprikosen im Foeder reift. Ein Aufwand, den man schmeckt.

„Wir haben die ganze, zerquetsche Frucht inklusive der Kerne zugegeben und hatten schon die Befürchtung, dass es zu intensiv werden würde. Aber es ist schön ausgewogen geworden und hat eine phantastische Säure“, freut sich der Braumeister. Den Fokus auf belgische Bierstile wie Sours und Saisons zu setzen ist für eine nordamerikanische Brauerei eher ungewöhnlich. Man erwartet hier eher eine große Auswahl an Lager und Pale Ales. „Das machen wir auch und in unseren Augen auch recht gut“, sagt Mills. „Doch am meisten stolz sind wir auf Biere wie dieses, die wir immer noch in kleinen Mengen brauen. In den Momenten, wo Du Dich hinsetzt und ein Bier ganz bewusst genießen willst, geht nichts über ein Sour oder Saison.“

In einem Lager kannst du keine Braufehler verstecken

Obwohl Brent Mills die außergewöhnlichen Biere liebt und der Trend weltweit immer mehr zu überhopften Double Dry-Hopped Hazy Triple IPAs liegt, sieht der Braumeister die größte handwerkliche Herausforderung woanders: in der Herstellung simpler Biere wie einem Lager. „Die einfache Komplexität und diese Leichtigkeit, die ein Lager auszeichnen, zu erreichen, das ist eine große Herausforderung beim Brauen. In einem Lager kannst Du keine Braufehler verstecken“, sagt er. Die Ambitionen vieler deutschen Micro-Brauereien, auf populäre Stile wie Pale Ale oder IPA zu setzen, treffen bei ihm übrigens auf Unverständnis.

Die Menschen suchen sich keine neuen Bierstile, wenn ihr eigentliches Bier eine gute Qualität hat.

Denn obwohl Deutschland vom Rest der Bierwelt scheinbar überholt wurde, sieht der Kanadier immer noch viel Potenzial bei den deutschen Brauereien. Wenn sie sich mehr auf ihre Traditionen berufen würden, also auf das Brauen von Pils oder Hellem. Eben die Biersorten, die Deutschland einst den Ruf der Biernation schlechthin beschert haben. „Wenn alle das gleiche Bier brauen, gibt es keine individuellen Bierkulturen mehr. Und die Menschen suchen sich keine neuen Bierstile, wenn ihr eigentliches Bier eine gute Qualität hat“, ist sich der Kanadier sicher. Das bemerkte er auch während einer Radtour von Deutschland nach Tschechien: „In Prag gibt es Bars, wo 500 Leute in einem Raum sitzen und alle trinken ein Bier, das es schon seit 500 Jahren gibt. Weil es eben richtig gut ist.“

Das Radfahren liegt übrigens nicht nur dem Gründer. Das Four Winds Racing Team gewinnt sogar gelegentlich einen Wettkampf. Das passende Bier dazu gibt es natürlich auch: das Vélo ist ein hazy American Pale Ale mit frischem Zitronensaft und Himalaya-Salz. Für die Electrolyte, sagt Mills. Der perfekte Durstlöscher nach einer langen Radtour. Oder auch einfach so, im Sommer, ohne Sport vorher. „Das ist das Gatorade der Biere“, sagt der passionierte Sportler und lacht.

2020 eröffnet die nächste Location – inklusive Restaurant

Die Brauerei liegt in Delta, südlich des Fraser River und ist eine der wenigen Brauereien Vancouvers, die nicht in den angesagten Ballungszentren liegt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist man eine Weile unterwegs. Mitten im Industriegebiet braut Four Winds ihr Bier bei einem jährlichen Ausstoß von 15.000 Hektolitern. Auch abgefüllt wird direkt vor Ort.

Im Frühling 2020 soll es den nächsten Meilenstein geben: Dann wird eine weitere Location eröffnet, mit einem Restaurant, von Grund auf auf einem Acker gebaut. Der Fokus wird nicht nur auf gutem Bier liegen. Auch beim Essen sollen Freudentränen kullern: „Wir wollen ein einzigartiges Bier- und Genusserlebnis liefern“, sagt Mills mit Vorfreude. Auch die neue Location wird in Delta liegen und die Hauptproduktion von Four Winds übernehmen, die dort bei 50.000 hl liegen wird. Die bisherige Brauerei kümmert sich dann um die kleineren Badges, wie die Spezialitäten und fassgelagerten Biere.

Four Winds: ein echtes Familienunternehmen

Four Winds ist auf Erfolgskurs. Gehört heute zu den einflussreichsten Brauereien Kanadas und kann locker mit den internationalen Stars mithalten. „Mein Vater, mein Bruder Adam und ich haben die Brauerei 2013 gegründet und waren anfangs zu viert. Heute haben wir über 40 Mitarbeiter. Das ist schon verrückt. Das hätten wir nie gedacht“, sagt Mills. Ein Geheimrezept haben sie nicht, betont er. „Ich weiß nicht, ob es naiv oder arrogant klingt, aber wir versuchen, über den Trends zu stehen. Und scheuen uns nicht, Fehler zu machen. Wir lernen doch aus ihnen,“ sagt er unaufgeregt. „Wir machen einfach nur das, worauf wir Lust haben: richtig gutes Bier brauen.“

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